Graffiti-News Nr. 17, 24.5. - 27.5.2002

Neuigkeiten aus der Welt der Graffiti-Forschung

zur graffiti edition - Fachverlag Graffiti und Street-Art

neu: Graffiti-Museum Wien - www.graffitimuseum.at

 

 

27.5.2002

 

Zur unten wiedergegebenen Kontroverse (gute vs. böse Graffiti) bekamen wir die folgende Mitteilung von Saul Len:  

Das ist mir vertraut, da wird mal wieder der Seismograph für das Erdbeben verantwortlich gemacht. Graffitiformen zu dokumentieren, heißt nicht zwangsläufig, dem Inhalt zuzustimmen. Das man so was noch erklären muss...
Oder die altbekannte Ansicht, ja das ist ja schön bunt, aber diese Schmiererei überall. Etliche Writer versuchten, sich davon abzusetzen und nannten sich Aerosol Artisten, übersahen aber, das sie sich durch Zugeständnisse an die Öffentlichkeit (bzw. was als solche gilt) von ihrer eigenen Arbeit distanzieren müssen. Denn auch der eifrigste Piecesprüher verzichtet nicht aufs Tag. Klar muss man sich so darstellen, wenn man seine Bilder verkaufen will und ist dann schnell dabei, verächtlich auf die Tagger herabzublicken. Nur haben auch die bekannten Writer genauso angefangen. Die Teilung in Kunst und Schmiererei ist ohnehin konstruiert, denn wo ist die Grenze? und wer will darüber entscheiden? Writer bezeichnen Tagschrift als Kunst, für Außenstehende, die nichts lesen können, ist es Geschmier. Harald Naegelis Teile wurden auch nicht von allen als Kunst betrachtet. Bei Politparolen und Klograffiti kam es erst gar nicht zu dieser Diskussion, hier bestand nie ein Kunstanspruch.
Ich hab selbst das Unverständnis erlebt, weil ich auch Tags und Politgraffiti oder andere Formen fotografierte, die nicht ins enge Raster passten.
Gruß Saul

Einen Beitrag, der sich ebenfalls mit der Definition und Eingrenzung des Begriffs Graffiti beschäftigt, finden sie in der Graffiti-News Nr. 6 (16.3.2002).

 


 

Die "GUTEN" und "BRAVEN" machen "GRAFFITI", die "BÖSEN" und "SCHLIMMEN" aber "SCHMIEREN und KRITZELN"!!!

Beschimpfungen im ifg-Gästebuch kommen immer wieder vor - meist anonym. So wie an der Klowand, wird auch hier viel unsinniges "abgelassen". Hier eine aktuelle Eintragung:

"Voll die scheiss Seite ! Was hat euer Nazigekritzel mit Grafitti zu tun !!!!! BIATSCH!!!!!!!!!! Bitches!!"

Der Gästebuch-"Kritzler" zeigt sich äußerst uninformiert - es bezieht sich nur ein verschwindend geringer Teil der ifg-Website auf rechtsextreme Kommunikation. Er kennt offenbar diesen Teil und davon wird generalisiert, ohne die Intention zu hinterfragen. Interessant ist (neben der falschen Schreibweise des Begriffes Graffiti), dass hier genau zu jener emotionalisierten Verbalformel gegriffen wird - GEKRITZEL - mit der üblicherweise (neben SCHMIEREREI)  - von feindlich eingestellten Personen - der gesamte Komplex Graffiti umschrieben wird.

Diese Uninformiertheit trifft man aber auch bei Leuten an, die mit Graffiti (reduziert auf den "Kunstaspekt") ihre Geschäfte machen. U.a. gibt es eine längere e-mail-Diskussion mit einem Berliner Herausgeber von so genannten Graffiti-Bänden, der offenbar bis heute nicht weiß, was Graffiti sind. Manche Leute können absolut nicht verstehen, dass es nicht nur die Graffiti der Sprayer, sondern auch die Graffiti anderer Leute gibt, u.a. eben auch die Nazi-Graffiti. Anders ausgedrückt: es gönnen sich die Schmierer untereinander nicht den Begriff Graffiti

Dass wir uns persönlich über andere Graffiti-Varianten - als über jene der Neonazis - mehr freuen, steht außer Diskussion. Gerade diese Vielfalt macht die "älteste Kommunikationsform der Menschheit" aber so interessant und hebt sie weit über das verbreitete Kunstgefasel empor! 

Hinweis auf die klassische Graffiti-Definition:

http://www.graffitieuropa.org/definition.htm

 

 

Infos zum ifg-Projekt "Graffiti: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit":

http://www.graffitieuropa.org/rechts.htm

 

 

Graffiti und Symbolforschung:

Klassisches Graffito - Anarchisten-A - in den Verputz eines Wohnhauses gekratzt.

©ifg2002

 

 

Soeben erreichte uns die Mitteilung über eine hervorragende Dokumentation der Graffiti am legalen "wall of fame" am Olympiastadion in Innsbruck, die von Rudolf Maurer durchgeführt wurde:

http://members.lycos.nl/homotoxaustria/index.htm

Nach allen Schwierigkeiten, die die Innsbrucker Aktivisten auf sich nahmen, um endlich einen legalen wall zu bekommen, kann man ihnen nun zu den qualitativ hochwertigen, internationalen, Produktionen gratulieren!

 

 

Ffm 2001

Mitteilung von Saul Len aus Frankfurt/Main:


Tag von Shoe mit Fatcap. Durch die Streuwirkung entsteht die ausgefaserte Struktur. Für Pieces werden diese Caps nicht verwendet, da sollen Fatcaps einen dicken farbdeckenden Strich zeichnen. Beabsichtigt war das ursprünglich nicht, aber solche Caps eignen sich gut zum Tagschreiben.

 

26.5.2002

 

Info zum Maler und Graffiti-Aktivisten Max Weiler
in einer ORF-Sendung - siehe rechts...

 

 

Protestgraffito gegen die erste Budget-Sanierungs-Maßnahme der österr. Bundesregierung. Dabei kam es zu einer Erhöhung der Gebühr für die Ausstellung eines Reisepasse von ca. ATS 400,- auf ATS 1.000,-. 

Das Graffito - das sich an der Vorderfront eines Wiener Amtshauses befindet - wurde zwar rasch "gelöscht", ist aber nach wie vor bei gewisser Aufmerksamkeit erkennbar.

Entstehungszeitraum: vermutlich Frühjahr 2000

Dokumentationszeitpunkt: Mai 2002

 

 

Wenn man ihn als Tagger bezeichnen würde, wäre er wahrscheinlich quantitativ betrachtet der "King of the City". Der rassistische Aktivist treibt seit einigen Jahren sein Unwesen in Wien, die abgebildete Variante ist harmlos, in vielen seiner Graffiti fordert er zu Straftaten gegen dunkelhäutige Mitmenschen auf - und wäre eigentlich ein Fall für polizeiliche Ermittlungen.

Im ifg-Projekt "rechtsextreme Kommunikationsmuster" finden sie ein weiteres Beispiel seiner Agitation. Inzwischen ist die ganze Stadt förmlich überwuchert mit seinen Schriften - oft vergesellschaftet mit Ansammlungen von Tags.

 

 


 

Zur unten wiedergegebenen Symbolik erreichte uns am 28.10.2002 folgende Mitteilung:

Hallo Leute!

In einem Foto auf Eurer WebSite sind zu sehen "05", drei Pfeile nach oben und der Text (?) "2k2" unter der "05". Die dazu abgegebenen Erläuterungen waren, das "05" ein Symbol des österreichischen Widerstands sein, und die drei Pfeile für die SPÖ stehen (obwohl diese normalerweise nach unten zeigen würden). Eine Deutung für "2k2" hättet Ihr nicht.

Ok, mein Vorschlag für die Interpretation von "2k2" ist die Jahreszahl "2002". Bekannt ist Euch sicher die Schreibweise "Y2K" für das Jahr 2000, als "Weitukei" und das damit verbundenen "Problem" weltweit durch die Medien gegangen. Die Abkürzung "k" für Tausend ist "in dem Internet nahestehenden Kreisen" durchaus gängig. Jetzt wäre interessant, von wann das Graffiti stammt ...

mfg, Thomas Thrien (thomas.thrien@epost.de)

Graffiti und Symbolforschung:

Das Original-05 des österreichischen Wiederstands gegen das NS-Regime finden sie in der Graffiti-News Nr. 12, 6.5.2002. Mit der FPÖ - ÖVP - Koalitions-Regierung in Österreich (Wahl 1999) erlebte dieses Symbol eine Renaissance und ist heute aktualisiert an vielen Stellen der Stadt zu finden. Im Bildbeispiel links finden sie rechts daneben ein weiteres Symbol Österreichs, nämlich die drei Pfeile der Sozialdemokratie der Zwischenkriegszeit. Im Original sind die Pfeile allerdings nach unten gerichtet, in der Originalform findet man das Symbol auch heute noch in den Signets einiger SP-Suborganisationen. Die Bedeutung des 2K2 ist unbekannt.

 

 

Graffiti-Thema Sexualität:

Häufiges Thema, auf Kinderspielplätzen ebenso wie an den Wänden öffentlicher Toiletten, oft werden auch Wahlplakate dazu verwendet, sexuelle Elemente hinzuzufügen oder einzubauen. Das Bildbeispiel rechts stammt aus Wien-Hietzing.

©ifg2002.

 

 

In der Graffiti-Enzyklopädie finden sie die Abbildung eines der Tags des frühen Wiener Aktivisten STYLE (S. 210), der als erster das gesamte Stadtgebiet für seine Aktivitäten nützte.

Links ein Tag - BRAZE - das inzwischen ebenso weit verbreitet zu finden ist. In Aktionen, die im Frühjahr 2001 stattfanden, wurde dieser Style hundert - , oder sogar tausendfach in Wien, bis in die niederösterreichischen Gemeinden am Stadtrand, verbreitet. Die bevorzugten Verbreitungsflächen sind alle belebten Strassen, Flächen entlang der großen Verkehrslinien und Bahnhöfe. Das Bild links stammt aus einem Wiener S-Bahnhof.

 

 

Gekröntes Tag aus dem Westen von Wien. Zur Bedeutung der Krone siehe: Graffiti-Enzyklopädie, Kapitel "Writer-Kultur", S. 193.

 

 

Schablonentechnik - kurzer Exkurs:

Heute findet in Wien der City-Marathon statt, dazu wird die Route von der Polizei für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Die (zusammengeklappten) Absperrungen standen schon einige Tage vor dem Ereignis an den wichtigen Stellen - an einer davon entstand das links wiedergegebene Foto. Der Schriftzug "POLIZEI" wurde in (negativer) Schablonentechnik aufgetragen.

 

 

25.5.2002

Die Kultur der "american graffiti", bzw. des "graffiti writings" war ursprünglich v.a. ein großstädtisches Phänomen. Inzwischen erreichte es auch schon viele kleinere Städte, oft schon ganz kleine Ortschaften...

Das Bild (links) entstand während der Graffiti-Dokumentation Niederösterreich, im Herbst 2001, im Bahnbereich in St.Pölten. Insgesamt entstanden während dieses Dokumentationsdurchganges ca. 200 Fotos (siehe auch: Graffiti-News Nr. 9, 8.4.2002) und wir werden über die Aufarbeitung berichten.

 

 

Beschimpfung an der Wand eines Wiener Gemeindebaus.

Wien, 2002

 

 

"Bianca S." - Tag aus einer Wiener Straßenbahnhaltestelle.

Wien 2002

 

 

"Helix-Tags" auf Kleber, Wien, 2002

 

 

Hitparade der geilsten Mädchen - Überlegungen auf einem Kinderspielplatz in Wien.

©ifg2002

 

24.5.2002

 

hier der link zu einem der grossen namen der writerkultur: 

seak http://www.seakone.com

 


 

Beitrag "Randphänomene zum klassischen Graffito":

Im heutigen Kurier (S. 4) wird über den Besuch des US-Präsidenten Bush in Berlin berichtet. U.a. ist ein Foto beigegeben, wo man Aktivisten mit Masken (Osama Bin Laden, Bush und Saddam Hussein) sieht, in den Köpfen steht jeweils "THINK!".

Siehe dazu auch die Fotoveröffentlichung vom 20.3.2002 in der Graffiti-News Nr. 7.

 

 

Aufträge für Graffiti-Künstler:

Es erreichen uns immer wieder Anfragen wegen Auftragsvermittlung, siehe dazu: www.graffitiauftrag.eu 

 

 

 

Hier das  weitverbreitete Tag (siehe unten) in kleinerer Ausführung
 (mit ifg Gründungsmitglied Mag. Susanne Schaefer-Wiery).

©ifg2002

 

 

Figurativ wirkendes Tag aus Wien. Ein Style der hundertfach anzutreffen ist, die Größe schwankt zwischen klein (ca.10 cm) bis zu einem Meter. 

Saul Len teilt dazu folgendes mit:
"Könnte 'VSN' heißen, im S ist das N eingebaut. Das S kann auch als 5 gelesen werden. Der untere Teil ist als Buchstabe nicht zu erkennen. Tagschriften werden oft mit Zierlinien geschrieben, mit Pfeilen etwa, die sonst keine Bedeutung haben."

©ifg2002

 

 

Aktuelle Hakenkreuzablehnung aus Wien-Penzing

©ifg,2002

 

 

Den Zugang zu allen bisher veröffentlichten News-Artikeln mit kurzer Inhaltsangabe (Schlagwörter, Keywords) finden sie in der Graffiti-Enzyklopädie

Zur zuletzt veröffentlichten Ausgabe (Graffiti-News Nr. 16): Graffiti News, 16/2002

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last update: 28.10.2002