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Die Themenkreise
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Gehäuft findet man Graffiti in Wahlkampfzeiten, als
Interventionen auf Wahlplakaten.
Besonders beliebtes Ziel sind dabei Politiker und Parteien, die extremere politische Positionen vertreten, in Österreich etwa die FPÖ und ihr ehemaliger Vorsitzender Jörg Haider, neuerdings H.C.Strache; in Deutschland die Republikaner oder der ehemalige Innensenator von Hamburg, Schill. In zweiter Linie sind es dann die momentan regierenden Parteien, die für diverse Missstände verantwortlich gemacht werden und die scharfer Kritik ausgesetzt sind. Die Plakate der jeweiligen Opposition bleiben meist eher verschont - Ausnahme war der Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (Bundestagswahl 2002) - auf den äußerst heftig reagiert wurde - siehe Abbildung links. Auch das Thema EU gehört insgesamt zu jenen Themen auf welche in Form von Graffiti heftig negativ reagiert wird und es gab selten so viele Graffiti, Sticker, Kleinplakate wie bei der Volksabstimmung zum österreichischen EU-Beitritt im Jahre 1995. Inzwischen gibt es rd. 5.000 archivierte Fotos von Graffiti auf Wahlplakaten in Deutschland und Österreich. Einen Überblick dazu finden sie auf: http://graffitieuropa.org/wahlplakate.htm Graffiti sind seit jeher aber auch ein Mittel politischer Propaganda, besonders dann, wenn die dahinter stehende Parole oder Idee nicht von finanzkräftigen Parteien unterstützt wird oder verboten ist. Historische Beispiele aus Österreich sind die NS-Propaganda, aber auch die Agitation linker Gruppen aus der Zwischenkriegszeit. Wie mir von einem Innsbrucker Kollegen schriftlich mitgeteilt wurde, bildet die Hafelekarwand seit langem eine Art "Schwarzes Brett" für politische Anliegen. In der Zwischenkriegszeit wurde darauf von NS-Bergsteigern ein riesiges Propaganda-Hakenkreuz aufgemalt, das bis etwa 1945 sichtbar blieb. Aus neuerer Zeit sind dort Inschriften bzw. Lichtinterventionen (Reisighaufen) bekannt, mit denen für die Autonomie Südtirols bzw. gegen den EU-Beitritt Österreichs agitiert wurde. |
Eine gigantische Graffiti-Aktion erfolgte in der Nacht vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich im April 1938: Anhänger des Ständestaates und der Schuschnigg-Regierung bemalten damals - als friedliche Widerstandsleistung - Statuen, Wände, Strassen und Gehsteige mit riesigen Parolen und (Kruckenkreuz-) Symbolen. Die Bilder, die man heute von Gehsteigwaschenden Juden sehen kann, stehen in direktem Zusammenhang mit dieser Aktion, da diese Gruppe von den neuen Machthabern, oft unter dem Beifall der Bevölkerung, zur Beseitigung dieser Widerstandsparolen gezwungen wurden. Ungefragt - auf fremden Flächen - erfolgten bald darauf die Markierungen jüdischer Geschäfte durch Nationalsozialisten und gegen Ende des Krieges sind offizielle Durchhalteparolen der NSDAP bekannt. Daneben agierte in Wien eine Widerstandsgruppe mit dem Geheimkürzel für Österreich (05). Zwei dieser ehemaligen Graffiti kann man heute konserviert neben dem Eingang von Wiener Kirchen finden und sie sind seltene Beispiele dafür, dass Graffiti auch unter Denkmalschutz stehen können. Eine Renaissance erlebte das 05 im Zusammenhang mit dem Protest gegen die ÖVP/FPÖ-Koalitionsregierung Ende der 1990er-Jahre. |
Die Parole und das Symbol des österreichischen Ständestaates in einem Klograffito aus Wien (1991). Reste des "echten"
Graffitos des Jahre 1938 sind |
Bei ihrem Vormarsch in Ost- und
Mitteleuropa im Jahre 1945 hinterließen Angehörigen der Roten Armee
vielerorts ihre Namen, meist mit Datierung. Weiters wurden durchsuchte Gebäude mittels
Aufschrift an der Außenwand als "geprüft" und somit als gefahrlos
gekennzeichnet.
Die deutsche Bundesregierung entschloss sich dazu, die Graffiti, die sowjetischen Graffiti im ehemaligen Reichstagsgebäude in Berlin unter Denkmalschutz zu stellen und als Mahnung an zukünftige Generationen zugänglich zu machen und zu bewahren. |
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Freistadt, OÖ, 2002 |
Zur Zeit der AKW-Diskussion in Österreich (Ende der siebziger Jahre, Zwentendorf) wurde die Ablehnung vielfältig über Graffiti und die bekannten Anti-AKW-Kleber zum Ausdruck gebracht, bevor sich etablierte Parteien und somit die konventionellen Medien des Themas annahmen. Auch heute sind - neben Flugblatt und Transparenten - Graffiti und Sticker immer noch Kommunikationsmittel von finanzschwachen Bürgerinitiativen und Organisationen. Der bekannteste Protest-Sticker der letzten Jahrzehnte ist die Anti-AKW-Sonne - im Bild links eine aktualisierte Version anlässlich des Protestes gegen das grenznahe tschechische AKW Temelin im Jahre 2002. Die einfachste Form des Widerstandes und der Ablehnung ist die bekannte Technik des Farbbeutelwerfen, die sich v.a. in den 1960er Jahren in Studentenkreisen großer Beliebtheit erfreute und auch heute noch z.B. von feministischen Gruppierungen verwendet wird. Eine Kommerzialisierung erlebte diese Technik vor einigen Jahren, als käufliche Farbkleckse auf Transparentfolie auf den Markt kamen, die man auf das eigene Auto kleben konnte. Selbst die Technik des Plakatabrisses, bei der recht interessante, collageartige Effekte entstehen können, wenn verschiedene Plakate übereinander geklebt waren, fand Eingang ins Repertoire von Grafikern und bildenden Künstlern. |
Die offizielle Werbung steht in engem Austausch und
gegenseitiger Beeinflussung mit Graffiti und bezieht gerne und oft
Graffiti-Motive, v.a. der Writer-Kultur, in
die Gestaltung ein. Nicht nur der bunte Style und die Charakters der american graffiti werden dabei imitiert, sondern überhaupt oft das Motiv
des "an-die-Wand-Schreibens". Ein konkretes Beispiel aus dem
Jahre 1995 ist ein Plakat mit der Imitation eines Baumgraffitos, mit dem
der offizielle Verkaufstermin für WINDOWS 95 bekannt gegeben wurde.
Umgekehrt findet man viele Graffiti-Interaktionen im "outside-Bereich" auf Werbeplakaten, im inside-Bereich viele Parodien und Abwandlungen von Werbesprüchen: "Coca Cola vor dem Tanz, hebt die Stimmung und den Sch....", oder "ein Spritzer ins Becken und die Hausfrau glänzt", oder "Willst du Schwangerschaft verhüten, nimm Melitta-Filtertüten". |
Imitation des Writer-Styles
in |
graffiti-hauptseite |