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Irmela Mensah-Schramm:

Das Berliner Graffiti-Archiv:
Aktiv gegen Hass-Graffiti

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Der folgende Text basiert auf einem Vortrag, den Frau Mensah-Schramm beim Graffiti-Kongress in Wien gehalten hat. Eine Stellungnahme des Instituts für Graffiti-Forschung zur Thematik Graffiti und Intoleranz finden sie auf folgender Seite: http://www.graffitieuropa.org/rechts/studiezusammenfassung.pdf . Informationen zum Projekt "Hass vernichtet" - www.hassvernichtet.de


gemeinsame Forschungen mit Frau Mensah-Schramm in Berlin, 2001Gleich vorne weg möchte ich klarstellen: Ich beseitige nicht generell Graffiti, sondern ausschließlich Hassparolen und Nazisymbole. 

Zu Dokumentationszwecken fotografiere ich die Hasssprüche und -symbole, weil ich die Mitmenschen aufrütteln möchte. Ich möchte aufzeigen, wie Menschen in der Lage sind, so hasserfüllt zu denken - und auch zu handeln. Die gesprühten oder geklebten Morddrohungen und Beleidigungen, die auch an das wohl dunkelste Kapitel unserer Vergangenheit erinnern, sind gegen die Schwachen unserer Gesellschaft gerichtet. Die Urheber des gesprühten Hassdenkens sind gewiss auch nicht die Stärksten der Gesellschaft. Sie sind zumeist manipulierbar und daher beeinflusst von den geistigen Brandstiftern, die in der Politik, ja der Regierung und auch den Bildungseinrichtungen nationalsozialistisches Gedankengut verbreiten. So kommt es auch vor, wenn ich meine Mitmenschen auffordere, mir Platz zu machen, damit ich die Hassparolen und auch Nazisymbole entfernen kann, dass sie dies unter dem Hinweis verweigern, ich solle es dranlassen, "ist doch gut so"....


Bat ich die privaten Wachschutzleute, antisemitische Sprüche entfernen zu lassen, bekam ich von ihnen dann unter anderem zur Antwort:" Wie wäre es, wenn sie sich mal um linke Schmierereien kümmern würden?" Ein Lehrer, der einen TV-Film über mich und meine Aktionen gesehen hat, meinte, für ihn seien Graffiti durchwegs Schmiererei, egal ob es Strichmännchen oder Hakenkreuze sind. Es wäre für ihn alles gleich schlimm.... allzu gern wurde ich von den argwöhnisch Zuschauenden aufgefordert, doch gleich den ganzen "Dreck" zu entfernen. Mit dem Dreck meinten sie die Graffiti. Der  "Dreck" störte sie offensichtlich mehr, als die Sprüche "Heil Hitler" oder "Sieg heil". Darauf von mir angesprochen, wandten sie sich ab oder taten dies als "dumme Jungenstreiche" ab.
Zerstörung von NPD-Plakaten in denen der Holocoust geleugnet wird ...Es ist auch bemerkenswert, festzustellen, dass einerseits die von Staats wegen geforderte Beseitigung von Graffiti auch durch Übermalen mit anderen Farben geschieht. Wenn ich die Naziparolen und dergleichen ebenso beseitige, wird mir vorgehalten, ich beginge Sachbeschädigung. Sowohl Erwachsene, als auch Kinder sagen mir: "Das dürfen sie doch nicht." Glauben Sie mir, fast jeder Mensch begeht in seinem Leben etwas, was er nicht darf. Denken sie bitte mal an die Autofahrer und Autofahrerinnen, wie sie Tempolimits oder Halteverbote einhalten... Jugendliche hielten mir vor, ich müsste schließlich auch eine andere Meinung akzeptieren, weil ich vor ihnen gerade Hakenkreuze, "SS"-Runen und ausländerfeindliche Parolen entfernt habe. 

Dass vermutlich sie als Urheber die Andersdenkenden als Adressaten ihrer Klosprüche ausgewählt haben, diesen Widerspruch wollen sie freilich nicht erkennen. Sie schneiden sich zum Beispiel mit dem Messer vor ihrem späteren ausländischen Opfer in die Haut, um beweisen zu wollen, dass ihr Blut heller sei, als das der Ausländer.... Als ich 1986 mit meiner Arbeit begann, war der Auslöser dazu die Erkenntnis, dass diese Hasssprüche durch "sich darüber zu ärgern", nicht verschwinden. Mir wurde klar, durch Nichtstun kann auch nichts erreicht werden. Zuerst sporadisch, dann immer mehr gezielt und kontinuierlich ging ich gegen das vor, was die einen als Graffiti - und die anderen als Schmierereien bezeichnen... Fest  steht für mich, wie es auch heißen mag, ich gehe gegen diese Form der Hassgraffiti vor und vernichte sie, weil ich den Hass vernichten möchte. Hass muss vernichtet werden. Wenn ich vor der Entscheidung stehe, auch massive Sachbeschädigung in Kauf zu nehmen, um die menschenverachtenden Sprüche bis hin zu den Morddrohungen zu beseitigen oder nicht, dann entscheide ich mich fast ausnahmslos dafür. Denn beschädigte Gegenstände sind allesamt ersetzbar und reparabel, eine verletze Menschenwürde jedoch nicht!

Ich fand auch Graffiti, die mich in meinem Denken sehr unterstützten. Es waren Graffiti, die sich für ein friedliches Miteinander offenbarten. Diese Graffiti halfen mir, die Hass-Graffiti zu verkraften. Manchmal war es fast unerträglich für mich.... als ich vor einigen Jahren meine Fotos, die ich von den Hass-Graffiti gemacht habe, im Fotoladen angesehen habe, bekam ich Magenkrämpfe. Die inzwischen über 5.450 Photos und über 1.100 Aufkleber und Plakate, als Zeugnisse pervertierten Denkens, sind Bestandteil meiner Dokumentation. Seit November 1995 wurden bis zu 200 Exponate dieser Dokumentation in meiner Ausstellung "Hass vernichtet" gezeigt - in Rathäusern, Gedenkstätten, Theatern, Kunsthochschulen, Freizeitzentren, Schulen und jetzt auch in zwei Kirchen. Das Interesse ist groß. Freilich, auch bei den Nazis, die über meine Aktionen nicht wenig erstaunt sind.

Interessant sind die Reaktionen der Mitmenschen: :
Es gibt die Gruppe der aktiven Sympathisanten und der passiven Sympathisanten. Reaktionen der Ausstellungsbesucherinnen und -besucher waren auch, dass sie sich selbst auf den Weg machten, um diese Hasssymbole zu beseitigen.
Dann gibt es die Gruppe derjenigen, die meine Aktionen für sinnlos halten und die letzte Gruppe ist die der aktiven Gegner meiner Aktion. Es sind Sympathisanten der Rechten und die aktiven Rechten.
Die zweitgenannte Gruppe ist die größte und fordert mit der erstgenannten, dass dieses Ausstellungsprojekt in möglichst vielen öffentlichen Einrichtungen gezeigt wird. Doch da gibt es auch Berührungsängste. Wie gut, dass sie auch mit der derzeitigen miserablen Finanzsituation verdrängt und begründet werden können.

Im Folgenden gebe ich einige Reaktionen wieder, denen ich bei meinen Aktivitäten begegnete:

  • "In unserer Stadt bitte nicht"
  • "Danke für Ihren Humanismus"
  • "Sie sind eine Terroristin"
  • "Sie sind ja auch gewalttätig"
  • "Ich finde es super, was sie tun"
  • "Warum tun Sie das für uns?"
  • "Anstatt Streife zu fahren, würde ich Ihnen lieber helfen" (ein Polizist)
  • "Lassen Sie das ('Ausländer Raus') stehen, ich kann gut damit leben"
  • "Hören Sie sofort auf, oder ich rufe die Polizei"
  • "Danke, dass es Sie gibt"
  • "Ist ja toll, was Sie da machen"
  • "... am besten; Sie putzen hier gleich alles sauber"
  • "Ich danke Ihnen, dass Sie es für uns tun"
  • "Für wen machen Sie das denn?"
  • "Wer bezahlt Sie?"
  • "Rote Sau"
  • "Die hat ja so'ne Macke"
  • "So was wie Sie hätte man in der Hitlerzeit in die Gaskammer gebracht und das wäre gut so gewesen"
  • "Die Schmierer wissen ja nicht, was sie schreiben"
  • "Sie sind abartig"
  • "Wie gut, dass es Leute gibt, die nicht wegschauen"
  • "Das bringt doch nichts"
  • "Hier ist eine Frau, die hat Schmierereien beschmiert" (so wurde die Polizei gerufen)
  • "Jawohl, Ausländer raus"
  • "So was Blödes"
  • "Wenn ich nicht in Uniform ware, würde ich gut finden, was Sie tun" (ein BGS-Beamter)


© 2012 - Institut für Graffiti-Forschung und Autorin (Frau Mensah-Schramm) - siehe zum Thema auch: Graffiti und Intoleranz

Ausstellung GRAFFITI.RECHTS.EXTREM

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